(Umzugs-)Container nach schwerer See

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Quelle: Internet. Der Blog hat keinen Bezug zum Schiffsnamen oder zu dessen Ladung

Sonntag, 28. März 2010

Treiben und Eintreiben

Aus Saarbrücken hatte ich mir ein Buch mitgebracht: "Ein Junge mit zwei leeren Flaschen", das ich heute zuende lesen konnte, die Lebensgeschichte des Bauunternehmers Francesco Sanzo, der als jugendlicher Schulabbrecher aus Kalabrien ins Saarland gekommen war und sich dort eine geschäftliche Existenz aufgebaut hatte. Eine Geschichte, die mich sehr beeindruckt, aufgebaut anhand von Schlüsselszenen, die den Erfolg als Resultat von Durchsetzungsvermögen schildern: zuerst im Dorf, dann als Halbstarker und Gastarbeiter. Sanzo überwindet Widerstände, weil er deren Kern erfaßt und Situationen und Personen richtig einschätzen kann und weil er sich Unterstützung zu verschaffen weiß. Gescheitheit und mentale Präsenz verbindet er dabei mit körperlicher: durch Karatetraining kann er sich in Attacken gegen stärkere Angreifer durchsetzen. Diese physische Durchsetzungsfähigkeit ist oft gefordert, nicht zuletzt deshalb, weil er als mittelloser Migrant in einer Szene unterwegs ist, in der Kleinkriminalität und Beschiß zum Alltag gehören.

Die Auseinandersetzung damit, inklusive der Frage der eigenen Integrität und Verantwortung, stellt sich als zentrale Qualifikation beim Aufbau seiner Firma dar: ständig muß er sich Betrügereien gewärtig sein, die sein Geschäft bedrohen können: Kunden zahlen nicht, Rechnungen sind überhöht, Zeugen bestochen, Beamte korrupt. Dabei stehen Beschiß und Lauterkeit quer zum gesellschaftlichen Status; auf den Habitus ist gerade kein Verlaß.

Ich lese seine Erfahrungen als Beschreibung dessen, was mir widerfahren ist und als Einführung in das, was noch kommen wird. Ich lerne, daß Übervorteilung verbreitet ist, es eine Kultur und Industrie des Beschisses und der physischen Einschüchterung gibt, und man die Regeln kennen und die Zeichen lesen muß, um zu bestehen. Das Buch gehört direkt neben das Handbuch zum Unternehmer werden, es schützt vor dem Business-Gesülze, das immer mehr in jeden Lebenszusammenhang und jeden Diskurs eindringt.

Sanzos Erzählungen haben mir die Augen für die latente Gewalt eröffnet, denen auch meine Packer ausgesetzt sind. Ihr Stolz auf die eigene physische Präsenz ist real und notwendig und keine medial abgeleitete und ausagierte.

Die Gewalt, die Sanzo und meine Packer erfahren, entspringt aber nicht bloß Willkür, sondern auch behördlicher Ordnungsamacht, die als Willkür erfahren wird, weil sie ihre Logik, Legitimität und Geschichte nicht kennen. Das betrifft vor allem die Sozialabgaben und Steuern, die sie zahlen müssen, und die  Bußgelder, die bei Übertretungen fällig werden. Vor allem Sozialabgaben erfassen sie intuitiv und nicht zu unrecht als Mittel, ihre Arbeitsleistung auszubeuten: wird nicht gerade ihre Einwanderung mit dem Hinweis gerechtfertigt, daß sie die Sozialsysteme stützen sollen?

Attacken und Strafen werden gleichermaßen gesellschaftlich ausgrenzend und diskriminierend auf dem Arbeitsmarkt erfahren. Wie Sanzo können sie gar nicht anders, als ihren Aufstieg in der Illegalität beginnen zu lassen, weil die Ordnung des Arbeitsmarktes nicht für, sondern gegen sie gemacht ist. Und sie wissen, dieses Mal wird bleiben, vor und jenseits aller Integrationsbemühungen und -ansprüche. Ob Testarossafahren hilft? Dem Bauunternehmer kam der Bolide mit dem deutschen Kennzeichen bei einem Ausflug nach Italien abhanden ...