(Umzugs-)Container nach schwerer See

(Umzugs-)Container nach schwerer See
Quelle: Internet. Der Blog hat keinen Bezug zum Schiffsnamen oder zu dessen Ladung

Samstag, 6. März 2010

Zum ersten, zum zweiten ...

Was kostet ein Umzug? Nachdem ein Wohnungswechsel feststeht und die neue Wohnung gefunden ist, steht diese Frage im Vordergrund. Sicher ist, es wird teuer, und das beste Resultat ist unsichtbar: kein Durcheinander, keine Schrammen, Sprünge, kein Verlust. Viel Arbeit, von der nichts bleiben wird. Die soll möglichst wenig kosten.

Deshalb holt ein Kunde sich mehrere Angebot ein. Und das ist erstmal sinnvoll, auch für die Umzugsunternehmen: je nach ihrer Struktur und Beschäftigungslage machen sie unterschiedliche Preise. Die Besichtigung und Beratung ist zunächst einmal kostenlos. Manch Kunden können gar nicht genug davon bekommen und holen sich gleich fünf oder sechs oder zehn Schätzer ins Haus ...

Nun ist es mit den Angeboten wie auf anderen Märkten auch: sie sind von unterschiedlicher Qualität. Welche Qualität vom Kunden gewünscht wird, muß der Berater erkennen; und dafür sorgen, daß diese Qualität geliefert wird. Jeder Umzug ist anders; Umzüge sind Einzelanfertigungen, oft für irgendwie mies zusammengeschustertes Umzugsgut aus dem Möbelbilli. Irgendwie müssen diese Beratungsleistungen dann auch eingepreist werden, zusammen mit vielen anderen Kosten, die nicht beim Umzug nicht so unmittelbar ersichtlich sind, wie es die Arbeit der Packer ist. Umzüge müssen also Geld kosten.

So wie es für Lebensmittel, Kleidung und Möbel Discounter gibt, gibt es auch Umzugsdiscounter. Da der größte Kostenanteil auch bei ihnen die Löhne sind, sparen diese Discounter hier konsequent. So machen dann Leute die Umzüge, die irgendwo von der Straße aufgelesen worden sind und wieder dahin befördert werden, ohne Rekurs auf soziale Kosten und Steuern. Aber am billigsten. Und die Mehrwertsteuer? Nicht selten wird steuerfreies Arbeiten vom Kunden zur zusätzlichen Bedingung für den Zuschlag gemacht.

Seit wenigen Jahren wandert ein wachsender Anteil des Umzugsmarkts ins Internet. Auf der einen Seite werden die Kunden dahin gebracht, einen Teil der Arbeit der Umzugsberater selber zu machen: das Volumen ihres Umzugs mittels Listeneinträgen zu schätzen und die gewünschten Serviceleistungen: Montage, Packen, sowie die wichtigen Randbedingungen eines Umzugs zu notieren: Trageweg, Parkmöglichkeiten für den LKW und anderes.

Auf der anderen Seite wird der Preis zum einzigen Kriterium, während die Qualität der Komplexitätsreduktion einer abstrakten Verauktionierung zum Opfer fällt. Kostenbewußte Kunden merken dann erst beim Umzug, daß die Möbel und die Wohnungen ihn nicht unbeschadet überstehen werden ... Dann richtet sich die Hoffnung auf die Versicherung und das Klagen. Da vorher der Abschluß einer adäquaten Transportversicherung aber aus Sparsamkeitsgründen unterblieb, mit wenig Aussicht auf Erfolg. Statt dessen wird das Umzugsentgelt nicht ausgezahlt, was wieder dazu führt, daß Umzugsunternehmen nur noch gegen Vorkasse arbeiten.

Dem Preisdruck begegnen Umzugsunternehmen, indem sie sich im Kleingedruckten ihres Angebots die Möglichkeit von Preiszuschlägen offenhalten, die sie dann konsequent nutzen, wenn sie den Zuschlag als Günstigster erhalten haben. Manche legen sich selber eine Billigabteilung zu oder gründen gleich aus, eröffnen selber oder mit Kollegen ein eigenes Portal und machen sich gegenseitig eine Konkurrenz, die ihnen nicht weh tut.

Auf diese Weise werden auch die Umzüge akquiriert, die von Arbeitsamt oder Jobcenter bezahlt werden. Der Antragsberechtigte muß drei Angebote vorlegen, die sich übers Internet leicht gewinnen lassen. Wird dazu von Ämtern ein Portal empfohlen, steckt oft ein Kartell dahinter, das ja durch die Verauktionierung gerade ausgehebelt werden sollte. Fragt aber ein solcher Berechtigter bei uns direkt an, steckt dahinter meistens das Kalkül, das Angebot als Vorlage für eines zu nehmen, das von Freunden mit Gewerbeschein und Steuernummer erstellt wird. Hier wie da kontrollieren die zu Sparsamkeit angehaltenen Ämter nicht, ob Sozial-, Versicherungskosten und Steuern gezahlt werden.  Damit untergraben sie ihren eigenen Anspruch und ihre eigene Bemühung, Leute in Arbeit zu bringen.

Zum ersten, zum zweiten, zum dritten ... bekommt der Kunde so wenig wie vordem mit Sicherheit das seinem Umzug angemessene Angebot.

Dienstag, 2. März 2010

Kiosk der Möglichkeiten

Nur erst gastweise in der Gegend, in der ich mich später niederlassen sollte, löste ich eine zeitlang morgens auf dem Weg zur Arbeit die Gutscheine für meine Tageszeitung an der Theke eines Kiosks. Nahe einer Bushaltestelle eingelassen in ein schmutzig gelb gestrichenes Geschäftshaus, unterschied sich dessen Angebot in nichts von dem anderer in deutschen Vorstädten: Tageszeitungen, Journale mit den einschlägigen Covern: Girls, Autos, Villen,  Computerzubehör, und außerdem Zigaretten, Bustickets, Süßigkeiten, Sprudel, Bier und Hochprozentiges.

Wie es meine Art ist, grüßte ich nach kurzer Zeit den Kioskverkäufer, einen älteren Mann unklarer Herkunftsnationalität, der früh, tags und bis spätabends allein da zu sein schien. Eines Tages winkte er mir, in den kleinen Verkaufsraum zu treten. Er fragte mich, ob ich die Zeitung für meinen Chef kaufte, was ich verneinte, ich läse sie selber. Ob ich gerne scharfe Sachen tränke? Ich schüttelte den Kopf. Es muß in die falsche Richtung gewesen sein, denn er schien es als Interesse zu deuten. Das Fragen hatte er zugleich genutzt, mich genauer zu betrachten. Dann raffte er seine Deutschkenntnisse zusammen für ein knappes, überraschendes Angebot: ich könne mich am Schnapsvorrat nach eigenem Ermessen bedienen, Gegenleistung: Sex. Seine eigene Frau sei ihm nicht mehr gut, und die Uschi, die es ihm bislang im Vorbeigehen dermaßen besorgt habe, verschwunden.

Dieses Angebot wies ich freundlich zurück, und um ihn nicht verlegen oder aggressiv zu machen, fragte ich zurück, woher er gekommen sei und wie er in diesen Kiosk käme. Er habe seine Geschäfte in der Gegend von Silopi betrieben, im Winkel zwischen der Türkei, Syrien und dem Irak, meinte er, sei wohlhabend gewesen, als Landbesitzer und Händler. Aber während der kriegerischen Eskalation sei er zwischen die Fronten geraten, erpreßt und und bedroht worden, egal von wem, es sei ihm gelungen, mit seiner Familie nach Deutschland zu gelangen. Der Kiosk sei eine Fortsetzung seiner Geschäfte im Rahmen des ihm hier möglichen. Hart sei es aber schon, weil ihm die Familie nicht helfen wolle. Seine Söhne seien hier herangewachsen und hätten den Führerschein erworben, besäßen Handy, Auto und Computer, Geschenke von ihm.

Handy, Auto und Computer: was kommunizieren diese Söhne, um ihre Existenz zu sichern? Mit wem kommunizieren sie? In welchen Sprachen? Welche Werte konnten sie dadurch erzeugen, welche Dienstleistungen erbringen? Oder waren die Objekte bloße Symbole der Arriviertheit, Kaschierungen von Anschlußlosigkeit und Tageslohnverdienst? Welche Perspektive besaßen Vater und Söhne überhaupt auf ihre Umgebung jenseits des Blicks vom Kiosk auf die Bushaltestelle und im Kiosk auf grellbunte Zeitschriftencover? Welche Wahrnehmungs- und Umrechnungsmodi wurden angelegt, damit die Erträge von Land und Handel in Silopi den Geschäftsergebnissen aus dem Kiosk und aus dem, was die Söhne machten, innerhalb der Familie oder zumindest im Kopf des gestrandeten, lüsternen Patriarchen vergleichbar wurden? Welche Rolle spielten in dieser fragmentierten Ökonomie und Ökologie Frauen und Alkohol?

Es schien mir zudringlich, hier weiter zu fragen, obgleich mich die Familiengeschäfte zu interessieren begannen. Ich nickte ein Aufwiedersehen und ging. Meine Zeitung kaufte ich von da ab woanders. Inzwischen wird sie mir wieder ins Haus gebracht.