(Umzugs-)Container nach schwerer See

(Umzugs-)Container nach schwerer See
Quelle: Internet. Der Blog hat keinen Bezug zum Schiffsnamen oder zu dessen Ladung

Sonntag, 17. September 2017

Letzte Etage

Von weitem ist die Frankfurter Skyline wirklich eindrucksvoll mit ihren hoch aufragenden, solitären Bürobauten, zu denen immer noch weitere kommen, auch weniger hohe, aber vielfach mit einer architektonische Formensprache, die sich am Manageranspruch orientiert, sich stets nach oben zu orientieren, um einmal wirklich on top zu sein, wenn auch nur in der 20. oder 25. Etage einer dieser einrucksvollen Bauten. Jedenfalls ist dies Obergeschoss stets irgendwie besonders markiert, durch Aus- oder Einkragungen, markante Fenster oder einen kuppelartigen Aufbau und stellt sich damit ein in die Geschichte von Bauten als Bedeutungsträger. Fragt sich nur, welche: Verweis auf eine höhere Macht? Machtdemonstration? Je mehr Stockwerke unter diesem obersten angeordnet sind, desto eher gewinnt der Bau dadurch etwas Phallisch-Exhibitionistisches, ein Anspruch, der sich in der Körpersprache der Anzugträger, die diese Bauten bevölkern, je nach Rangstufe mehr oder weniger verhalten-nachdrücklich wiederfindet. Die geräumigen Aufzüge, welche die vielen Stockwerke verbinden, sind meistens verspiegelt. Das weitet das Raumgefühl und vergrößert die Bühne der Selbstdarstellung, verhilft aber auch zur Selbstkontrolle der Positur, deren Varianten ja eingeübt sein wollen.

Als Umzugsagentin und fröhliche Land- und Raumfahrerin bin ich gelegentlich auch in solchen Immobilien zu Besichtigungen von Büromobiliar bei mächtigen internationalen Kanzleien oder Firmenniederlassungen eingeladen, eine Rolle, die eine rein auf die Sache reduzierten Sichtbarkeit mit sich bringt. Ins mikrokosmische Spiel der Macht vor Ort bin ich jeweils nur insofern einbezogen, als ich in etwa die Position des Gegenüber erfassen und wie nebenbei auch würdigen muss, dabei zugleich die Außenseiterposition durch knappen Ausdruck und auch in der Kleidung unterstreichend, die bewußt den Dresscode unterläuft: mir ist klar, ich zähle hier nicht, nur die Kubikmeter, die Tragewege und der Montageaufwand. Egal, ob diese Interaktion in deutscher oder englischer Sprache vonstatten geht (Zweisprachigkeit wird einfach vorausgesetzt), ich habe leichtes Spiel, und so kann ich, während ich Schreibtische und Aktenschränke zähle und die Vorzüge unseres Unternehmens herausstreiche, nebenbei meinen kulturwissenschaftlich geschulten Blick im Mikrokosmos der Büros und Flure schweifen lassen.

Diesem Blick fällt meistens die Abwesenheit jeden kulturellen Anspruchs jenseits der durchgestylten Funktionalität der Arbeitsplätze auf, zu erkennen insbesondere am Wandschmuck. Irgendwie muss, das ist Konvention, an der Wand was hängen oder manchmal auch etwas vor einer Wand stehen. Bloß was? In einigen Frankfurter Bankgebäuden läßt sich unmittelbar erleben, welchen Wert und Nutzen informiertes Sammeln und Hängen haben kann. Jenseits dieser gerne vorgezeigten Prestigeprojekte ist die Auswahl allerdings meistens schauderhaft zusammengekleckst oder -gehauen, ausgesucht von jemandem, den diese Aufgabe erkennbar überforderte, und zugleich bestens qualifizierten Fachkräften zugemutet, die ihre Arbeitsplätze nur nach dem Bestehen harter Auswahlverfahren erhielten. Bei ihnen ist nicht einmal ein Wissen darum vorhanden, dass es einen ästhetischen Diskurs gibt, der Kriterien dafür liefern kann, was Kunstwerke von bloßer Deko unterscheidet, und ein geschmacksgeschulter Blick, der um die Macht von Kunstwerken weiss, mit den Bedürfnissen von Bürobesiedlern jenseits ihrer Effizienzfixierung zu kommunizieren. Also wurde an einem Art Consultant gespart oder einer genommen, der um das Defizit der Auftraggeber und die ästhetische Unerfahrenheit der Betrachter wusste und beides zu seinem eigenen Vorteil wendete. Damit lässt sich viel Geld verdienen. Auch schlechte Kunst kann teuer sein, diese Art Bürodeko, die ja an keiner Stelle einem ästhetisch-kritischen Diskurs ausgesetzt ist, der als Preisbremse wirken kann, und nur wenig Arbeits- und Materialaufwand erfordert, ist es besonders. Schlechte Kunst zu kaufen heißt also nicht unbedingt, zu sparen. Es geht wahrscheinlich eher darum, mit der ausgegebenen Summe anzugeben.

Noch eindrucksvoller wird die absolute kulturelle Leere im obersten Stockwerk der Gebäude deutlich, jenem phallischen Endstück, welches von außen Bedeutung jedenfalls noch simuliert, als architektonisches Ausrufezeichen. Im Innern aber stehen: Kaffeeautomaten, eine Biertheke, ein Kicker- oder Billardtisch, eine abgeschabte Sitzgruppe oder ein Ensemble von Fitnessgeräten, jedenfalls nichts, was der architektonischen Bedeutungsbehauptung irgendwie entspricht. Rückschlüsse auf Parallelen zur erotischen Disposition der kontenfixierten Bürophallusbewohner ziehe ich lieber nicht. Der Anblick der Räume und der Raumbesiedler turnt mich von vornherein völlig ab, so wie ich auch umgekehrt nicht den geringsten Versuch starte, unsere kräftezehrende Dienstleistung mittels einer Betonung weiblicher Attribute zu verkaufen. Selbe Sprache, selber Wohnort, selbes Wahlrecht: Wir leben eben in getrennten Universen.

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