(Umzugs-)Container nach schwerer See

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Quelle: Internet. Der Blog hat keinen Bezug zum Schiffsnamen oder zu dessen Ladung

Mittwoch, 17. Februar 2010

Laokoon von Tomi

Packer. Eine Gruppe junger Männer, fast alle aufgewachsenen in einer Provinzstadt nördlich vom Schwarzen Meer, irgendwie verwandt. Archetypen eines Trupps, wie er vermutlich seit Menschen leben in die Ferne zieht, Nomaden, Söldnerhaufen, Freischärler, auf der Suche nach Abenteuer, Reichtum, Frauen: der Ältere, erfahren und ein wenig müde, der Neugierige, der Techniker, der Kämpfer, die dienenden Fußleute, alle gescharrt um den Anführer, der sie zusammenhält und für sie plant und spricht. Ihre Schwestern, Cousinen und Tanten gehen auf getrennten Wegen in die gleiche Richtung, gelockt von Geld und Glitzer, studierend, putzend, kassierend, servierend, pflegend. Ihre Zuversicht schöpfen sie nicht bloß aus ihrer Kraft und Energie, sondern auch aus ihrer guten Schule: sie wollen studieren oder haben bereits ein Studium begonnen oder abgeschlossen, sie sind in einer Gesellschaft groß geworden, die sich im krassen Umbruch der Systeme befand.

Voller Selbstvertrauen kommen sie hier an, in eine Gegend, die alles, was sie suchen, im Überfluß zu bieten scheint. Kommen sie an das, was sie sich erträumt haben? Zunächst scheint alles einfach: sie tauschen ihre Muskelkraft in Geld und kaufen: Autos, Klamotten, Handys, Laptops. Sie verzieren ihre Muskeln mit Tattoos, die sie, Kouroi, gerne bei der Muskelarbeit zeigen, und alles zusammen beeindruckt die privatfernseh-affin gestylten Mädchen, die ihnen gefolgt sind oder zu ihnen stoßen. "Drama, Baby" steht auf dem T-Shirt unseres Monteurs und Kampfkarate-Champions.

Dann fangen die Probleme an, die sich nicht mit Muskelkraft, Witz oder Kosmetik beiseite schieben lassen, die sie allmählich begleiten, sich immer enger anschmiegen und sie demobilisieren und demotivieren. Ein Hauptproblem: das Geld reicht nie, Kredite sind leicht zu bekommen. Bald müssen Raten abgestottert, Schulden abgetragen werden. Das zweite Hauptproblem: das Recht an Geld und Leistungen ist in einem Wust von Regelungen verknäuelt, die schwer zu durchschauen sind: Aufenthaltsstatus, Arbeitsrecht, Versicherung, Steuern, Sozialleistungen — alles funktioniert mal wie eine undurchdringliche Barriere, mal wie ein Wunderhorn, verschieden in jedem Einzelfall, ohne klare Linie. Der Kampf gegen Schulden und Bürokratie ist kräftezehrend und entmutigend.

Ein klarer Weg, den hier Schule und Familie zeigen können, ist für die, die nicht in einem Schonraum wie der Hochschule Wissen und Erfahrungen sammeln können, sehr schwer zu erkennen und zu beschreiten. Das macht sie zu einer Verfügungsmasse an einem Arbeitsmarkt, der ihre Energie verbraucht und ihre Talente verschüttet.

Ich sehe meinen Trupp und denke an die Laokoon-Gruppe: Sinnbild männlich-kriegerischer Kraft, die von Schlangen besiegt wird. Seit Lessing Ausgangspunkt ästhetischer Reflexion, sollte sie endlich zum Logo der Arbeitsmigrationsdebatte werden.

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