(Umzugs-)Container nach schwerer See

(Umzugs-)Container nach schwerer See
Quelle: Internet. Der Blog hat keinen Bezug zum Schiffsnamen oder zu dessen Ladung

Montag, 19. April 2010

Formwille

Wenn Kunden mich zum wiederholten Mal in Anspruch nehmen, freue ich mich besonders, das Werben um Vertrauen wird belohnt. Dieses Mal verlud ich Neumöbel, die ein Kunde in die USA mitnehmen wollte, nachdem wir seine Haushaltsgegenstände bereits im Container nach Arizona verschifft hatten: eine eichene Schrankwand und ein sogenanntes Schlittenbett aus Mahagoni. Googelnd erfuhr ich, daß es sich um eine in den Vereinigten Staaten aus dem Empire-Stil heraus entwickelte Bettform mit gebogenen Kopf- und Fußteilen handelte, manchmal ergänzt um seitliche Gitter. Der Name verweist auf die Ähnlichkeit solcher Betten mit Schlitten. Solche Bettmöbel sind in den USA spätestens seit Anfang des letzten Jahrhunderts populär und entsprechend in der Armeekolonie zwischen Kaiserslautern und Ramstein verbreitet. Dieses Bett nun hatte der Kunde von einer belgischen Firma erstanden, die es in Vietnam hatte herstellen lassen. Ich wagte nicht zu fragen, ob sich derartige Betten nicht vielleicht auch günstig in seiner Heimat kaufen ließen? Die Verfrachtung machte es jedenfalls um die Hälfte teurer.

Statt dessen fragte ich nach seinen Erfahrungen in Deutschland. Er war allerdings immer nur zu Besuch bei seiner Frau gewesen, einer Zivilangestellten einer Schule für Kinder von Armeeangehörigen, gearbeitet hatte er im Irak. Was ihm aufgefallen war: Wahlkampfpräsenz der Linkspartei! Käme es hier wieder zum Sozialismus? Ich versuchte vorsichtig, ihm zu erklären, daß Linke in Provinzstädten manchmal aus Mangel an Horizont abgehalfterten Idealen hinterherliefen und daß es in Europa erkennbar große Unterschiede zwischen sozialstaatlichen Errungenschaften und kommunistischen Regimes gebe - er hörte gar nicht zu. Die Einführung einer Krankenversicherung bedeutete für ihn die präsidiale Durchsetzung des Sozialismus in den USA.

Wie war dann in seinen Augen die US Army aufgestellt? Deren Angehörige leben in einem komplett geschlossenen Mikrokosmos, Kämpfer mit begrenztem Ausgang, ohne Anbindung an ihr reales Umfeld, mit ihren Angehörigen komplett mit Konsumgütern und Sozialdiensten aller Art versorgt, mit Schulen und Studienangeboten: - kommt diese Verfaßtheit der kommunistischen Utopie in Lenins Version nicht ziemlich nahe? Als Zivilist mußte ihn dieser historische Einwurf nicht scheren - er wurde nur sehr gut bezahlt dafür, daß er im jeweiligen Einsatzgebiet der Armee seinen Job machte.

Zu dieser Einstellung paßte sein Einrichtungsgeschmack ganz genau: den Globus in Anspruch nehmen für die Realisierung eines Möbels mit falschem Traditionsbezug, gestützt auf ein weltumspannendes Authentizitätsmarketing, das einer Hauseinrichtung in Kansas zuarbeitet. Da wird es dann bestimmt einfach sehr gemütlich. Aber um welchen Preis?

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